Projekt 1

Das Computerprogramm Projekt 1 (PR1) entstand 1964 aus dem Wunsch, die damals vielfach diskutierten Kompositionsregeln der seriellen Musik zu testen. Es zeigte sich jedoch bald, daß solche Regeln, die von Parameterlisten und Reihenpermutationen ausgehen, ohne konkrete kompositorische Vorhaben nicht beschrieben werden können; jedenfalls hätte die systematische Verknüpfung aller denkbaren Ausgangspunkte zu einer unübersehbaren Menge von Resultaten geführt, die außerhalb eines konkreten kompositorischen Vorhabens nicht hätte bewertet werden können. Es ergab sich also die Notwendigkeit, sich zunächst auf ein kompositorisches Modell zu beschränken, das wichtige Elemente der seriellen Methode enthält, und dieses Modell unter wechselnden Bedingungen mithilfe musikalischer Zielsetzungen zu testen. Damit wird der innerste Bereich der seriellen Musik aber schon verlassen und eine Verallgemeinerung erreicht, indem etwa “Reihen” durch “Vorräte” und Permutationen durch Zufallsentscheidungen ersetzt werden.

Das dem Programm zugrunde liegende Modell geht vom Gegensatzpaar “regelmäßig/unregelmäßig” (RU-Prinzip) aus, inspiriert von der Unwiederholbarkeit von Reihenelementen (“unregelmäßig”) einerseits und den gruppenbildenden Multiplikations-reihen (“regelmäßig”) andererseits. Zwischen den Extremen wurden 5 Zwischenstufen angeordnet, so daß insgesamt sieben “Prozesse” zur Verfügung stehen, zwischen denen der Komponist wählen kann.

Das RU-Prinzip wird in PR1 auf die Parameter Instrument, Einsatzabstand, Tonhöhe, Oktavlage und Dynamik angewandt. Jedem Parameter ist eine Liste zugeordnet, in die der Komponist die gewünschten Parameterwerte einträgt.

  • Instrumente werden durch Ziffern bezeichnet, die der Komponist während der Ausarbeitung der Partitur interpretieren kann.
  • Einsatzabstände beziehen sich auf “metrische Einheiten”, das sind Notenwerte (Halbe, Viertel, Achtel usw.), für die ein Metronomwert festgesetzt wurde. Für jeden Einsatzabstand wird eine (maximale) Akkordgröße festgesetzt. Die Zerlegung der Akkorde in einzelne Stimmen ist Teil der Auswertung der Partiturtabelle (s. unten).
  • Für Tonhöhen wurde ein System entwickelt, mit dem Dreitongruppen aufgrund zweier, vom Komponisten benannter Intervalle gebildet werden. Durch automatische Transposition der Dreitongruppe entstehen Zwölftonreihen. 
  • Oktavlagen werden durch Ziffern angedeutet, die der Komponist, ähnlich den Instrumentziffern, interpretieren muß. 
  • In die Dynamikliste kann der Komponist beliebige Zeichen einlesen.

Während des Kompositionsprozesses werden “Sektionen” erzeugt, für jede Sektion kann der Komponist für jeden Parameter einen “Prozeß” einstellen.

Das Resultat des Kompositionsprozesses erscheint in Form einer Partiturtabelle, die alle Daten enthält. Die Partiturtabelle kann auf dem Schirm betrachtet, ausgedruckt oder abgespeichert werden. Mit der Midi-Option kann ein Standard Midifile erzeugt werden, das dem Komponisten mithilfe eines Midi-Instruments (Soundcard) einen Überblick über das Kompositionsresultat verschaffen kann.

Die Auswertung der Partiturtabelle mit dem Ziel einer Partitur für beliebige Instrumente obliegt dem Komponisten.